EU-Notfallplan Gas in Kraft:
Wie Europa Gas sparen will

Am Dienstag, den 09.08.2022, ist der Ende Juli 2022 vereinbarte EU-Notfallplan Gas in Kraft getreten. Die Verordnung sieht freiwillige Gas-Einsparungen vom 01.08.2022 bis zum 31.03.2023 in Höhe von 15 Prozent pro Land vor, verglichen mit dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Deutschland muss hier am meisten sparen und den Gasverbrauch im Vergleich zu den anderen Ländern der Europäischen Union in den kommenden Monaten deutlich stärker senken. Was das konkret heißt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

Was besagt der EU-Notfallplan Gas?

Wegen des anhaltenden Kriegs in der Ukraine, aufgrund von Reduzierungen von Gaslieferungen aus Russland und als Reaktion auf einen möglichen Stopp russischer Gaslieferungen ist der europäische Gas-Notfallplan in Kraft getreten. Verbraucherinnen und Verbraucher, Behörden, Eigentümer öffentlicher Gebäude, Energieversorger und Industrieunternehmen aller Länder sind angehalten ihren Gasverbrauch zu reduzieren.

Auf Grundlage von Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist eine Verordnung über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage erlassen worden. So soll bis zum Frühjahr 2023 der Gasverbrauch in Europa um 15 Prozent pro Land gesenkt werden. Die Umsetzung ist hierbei den Ländern überlassen. Der Notfallplan gilt zunächst für ein Jahr.

 

Wieviel Gas muss gespart werden?

Nach Zahlen der EU-Kommission müssen europaweit insgesamt 45 Milliarden Kubikmeter Gas eingespart werden. Deutschland müsste davon rund 10 Milliarden Kubikmeter Gas weniger verbrauchen, um das das 15-Prozent-Ziel zu erreichen.

Sollte sich die Lage allerdings weiter zuspitzen und weitreichende Versorgungsengpässe drohen, so hat die Europäische Kommission die Möglichkeit den „Unionsalarm“ für die Versorgungssicherheit auszurufen und allen Mitgliedsstaaten verbindliche Senkungen aufzuerlegen. Nötig wäre die Zustimmung von mindestens 15 EU-Ländern, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Spanien und Italien haben für den Alarmfall Ausnahmen von den verbindlichen Sparzielen ausgehandelt und wollen weniger als 15 Prozent sparen.

 

Wie wollen die einzelnen Länder den EU-Notfallplan Gas umsetzen?

Wie die EU-Länder ihre Sparziele erreichen, bleibt ihnen überlassen. Die EU-Verordnung sieht allerdings zahlreiche Ausnahmen für Staaten sowie „kritische Wirtschaftszweige“ wie der Lebensmittelindustrie vor.

Einige Länder arbeiten schon an konkreten Energiesparplänen, andere setzen völlig auf Freiwilligkeit oder haben noch gar keine Pläne präsentiert. Ein Überblick einiger EU-Länder und deren Ziele:

  • Deutschland ist besonders vom russischen Gas abhängig und will laut Angaben des Wirtschaftsministeriums sogar mehr als 15 Prozent einsparen. Um Gas zu sparen ist Ende Juli ein Steinkohle-Kraftwerkt wieder in Betrieb genommen worden und produziert wieder Strom. Weitere Steinkohlekraftwerke sollen folgen, ebenso wie Braunkohlekraftwerke. Ebenso ist die Bevölkerung und die Industrie angehalten Energie einzusparen. Auch ein Maßnahmenpaket wurde für den Winter angekündigt.
  • In Österreich soll das stillgelegte Kohlekraftwerk im Bedarfsfall wieder in Betrieb genommen werden. Zudem sollen Großbetriebe und Kraftwerke ab Herbst auch Erdöl als Alternative zum Gas einsetzen können. Die Umrüstungskosten trägt hier der Staat. Auch Österreich startet ab Herbst eine Kampagne zum Energiesparen.
  • In Frankreich sollen die heruntergefahrenen Atomkraftwerke für den Winter aufgestellt werden und die Produktion erneuerbarer Energien vorangetrieben werden. Energiesparen sollen vorrangig die öffentliche Verwaltung und die Privatwirtschaft. Hier werden konkrete Pläne ausgearbeitet, beispielsweise für die Klimatisierung und der Beleuchtung von Gebäuden.
  • In den Niederlanden soll hauptsächlich die Bevölkerung sparen. Bürger sollen kürzer duschen und die Heizung niedriger stellen. Nach dem Sommer könnten auch mögliche Vorgaben für die Industrie folgen. Die Niederlande haben seit Beginn der Energiekrise monatlich rund 25 Prozent weniger Gas verbraucht im Vergleich zu den Vorjahren.
  • In Italien wird beim Kühlen und Heizen gespart. Die Temperatur in öffentlichen Gebäuden darf nur noch bis auf 25 Grad gekühlt werden. Beim Heizen wird die Temperatur um 1 Grad gesenkt. Bei der Industrie sind zunächst keine Einschränkungen geplant.
  • In Belgien sind die Bürger zum Energiesparen aufgerufen worden. Hier ist der Gasverbrauch im ersten Halbjahr 2022 alleine durch die hohen Preise schon zurückgegangen.
  • Auch in Griechenland dürfen die Räume der Behörden nicht mehr unter 26 Grad gekühlt werden. Zudem wird die Straßenbeleuchtung auf das Nötigste reduziert. Aktuell können Bürger ihre alten Klimaanlagen und Kühlschränke durch neue energiesparende Geräte ersetzen. Das durch ein vom Staat und durch EU-Mitteln finanziertes Programm. Kohlekraftwerke sollen reaktiviert und andere Kraftwerde von Gas- auf Erdölbetrieb umgeschaltet werden.
  • In Spanien dürfen öffentliche Gebäude, Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen ihre Räume nur noch auf 27 Grad kühlen und auf höchstens 19 Grad heizen. Auch müssen Betriebe und Läden ihre automatisch betriebenen Türen geschlossen halten. Nach 22 Uhr dürfen keine nicht genutzten Büros, Schaufenster und Denkmäler beleuchtet werden.
  • Finnland und Dänemark haben ihr Energiesparziele bereits erreicht.
  • In Schweden gibt es für die Bürger einen umfassenden Online-Ratgeber zum Thema Energiesparen.
  • Estland hat den Verbrauch, laut eigenen Angaben, bereits um 16 Prozent reduziert. Aber dennoch sind die Industrie und Wärmeversorger zum Umstieg auf andere Kraftstoffe aufgerufen.
  • Litauen plant keine zusätzlichen Maßnahmen. Erdgas soll in der kommenden Heizperiode durch Heizöl ersetzt werden.
  • Lettland arbeitet noch an Richtlinien.
  • Polen sieht sich nicht an die Vorgabe gebunden und plant keine Maßnahmen.
  • Ungarn hat eine Umsetzung des Ziels komplett ausgeschlossen.
  • Tschechien setzt auf Freiwilligkeit.
  • Slowenien und Bulgarien haben noch keine konkreten Pläne.

 

Wie realistisch ist eine Gasmangellage?

Die Bundesnetzagentur hat auf Ihrer Website neue Szenarioberechnungen veröffentlicht. Ein Gasmangel könnte schon ab Ende November 2022 drohen.

Das Basisszenario geht dabei davon aus, dass die Reduktion der Gaslieferung über Nord Stream 1 auf 20 Prozent, die seit dem 27.07.2022 vorliegt, bis Juni 2023 erfolge. Somit würden dann knapp 250 Mrd. kWh Erdgas fehlen und die Gasmangellage würde schon im November 2022 eintreten. Angenommen wird zudem eine Reduktion des Gasverbrauchs um 5 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Verbrauch der letzten Jahre, ein durchschnittlicher Winter und eine LNG-Importkapazität von 16 GW (ca. 140 Mrd. kWh/a) ab Januar 2023.

Aber auch in diesem Szenario muss es nicht zwingend zu einer Gasmangellage kommen. Sollte der Verbrauch um zusätzliche 20 Prozent reduziert und die Exporte um den gleichen Prozentsatz zurückgehen, dann könnte die Gasmangellage vermieden werden. Sollte der Gasverbrauch weniger stark reduziert werden, so müssten die Exporte weiter eingeschränkt werden, um den Zeitpunkt der Gasmangellage weiter nach 2023 zu verschieben oder gar ganz zu vermeiden.

Insgesamt hat die Behörde aber in ihren unterschiedlichen Unterszenarien auch die Importe variiert. Dabei tritt in zwei der sechs Unterszenarien gar keine Gasmangellage auf. Bei den anderen Szenarien sind die Gasspeicher am Ende des Winters leer oder zu weniger als 10 Prozent befüllt. Bis Juli 2023 sei dann nur noch eine Befüllung von maximal 25 Prozent möglich. So wird auch die Versorgungssicherheit für den Winter 2023/2024, laut Bundesnetzagentur, eine Herausforderung.

 

Was können Sie konkret tun?

Gerade Unternehmen benötigen viel Energie. Sei es die Beleuchtung, die Kühlung oder gar die Heizung. Um Energie zu sparen, sollten Sie in einem ersten Schritt Ihre Energiefresser identifizieren. Erst dann können passende Energiesparmaßnahmen abgeleitet werden. Dazu bieten sich ein generell eine Energieberatung an. In einem alle vier Jahre wiederkehrenden Energieaudit oder mit der Einführung eines Energiemanagementsystems können Sie den Erfolg Ihrer Maßnahmen kontinuierlich bewerten und langfristig Energiekosten sparen.

Auch schon durch einfache Maßnahmen in Ihrem Unternehmen können Sie viel bewirken. Hier helfen auch die Beispiele aus den einzelnen Ländern – sparen Sie konkret an der Beleuchtung, der Klimatisierung oder gar der Heizung. Weitere einfache Tipps zum Energiesparen finden Sie hier.

Identifizieren Sie Ihre Stromfresser und sparen Sie dadurch langfristig Energiekosten!

Unsere Experten unterstützen Sie hierbei sehr gerne. Mit einer Energieberatung lassen sich sinnvolle Energieeffizienzmaßnahmen ableiten. Wir unterstützen Sie auch darüber hinaus weiter auf dem Weg zu einem klimaneutralen Unternehmen. Vereinbaren Sie einen unverbindlichen und kostenfreien Termin.

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